„Sie bringt andere Menschen zum Träumen“: Wie eine junge Pianistin ihre Musik mit der Leidenschaft zum Segeln vereint und auf musikalische Weltreise geht.

Sie ist nicht groß und doch von einer Eleganz, die den Großen in nichts nachsteht. Auch ihren Namen trägt sie mit Würde: Lady Flow. Ihr dunkelblauer, hölzerner Rumpf lag bis Ende April noch ruhig und erhaben im mediterranen Wasser Südfrankreichs, nicht weit von der kleinen Hafenstadt Sète entfernt. Mittlerweile befindet sich das bretonische Segelboot mit der Pianistin und Matrosin Marieke Huysmans Berthou auf Reisen.

Inspiriert von der italienischen Legende vom Ozeanpianisten Novecento erfüllt sich die 26jährige einen Kindheitstraum.

Mit ihrem Klavier an Bord ist ihr Ziel eine musikalische Weltreise. „Mein Vater war Ire. Als Jugendliche war ich deshalb oft in Irland und trat damals schon als Pianistin in Bars auf. Ich war so fasziniert von der unberührten Landschaft und vor allem der Musik der umliegenden Inseln, dass ich mir mit 16 in den Kopf gesetzt habe, eines Tages die Musik all dieser Inseln zu entdecken und sie darüber hinaus bekannt zu machen.“ Sie sagt es mit einem Schmunzeln im Gesicht und und neigt dabei leicht den Kopf. Eine Geste, die ein kleines Tattoo in Form eines Segelschiffes am Hals zum Vorschein bringt. „Mit der Tätowierung habe ich mir immer gesagt: Wenn du das Projekt nicht in Angriff nimmst, wirst du eines Tages dumm aussehen mit einem Boot am Hals.“ Sie lacht und wirkt gleichzeitig fast erleichtert.

Darüber, dass sie die Tätowierung nun nicht rechtfertigen muss und vor allem darüber, dass sie tatsächlich bald in See stechen wird.

Marieke wächst mit Musik auf, lernt das Klavierspielen schon in sehr jungen Jahren, besucht später Musikschulen und spezialisiert sich im Konservatorium auf Klassik und Jazz. Die zierliche junge Frau weiß, was sie will und vor allem wohin es gehen soll. Innerhalb von drei Jahren macht sie in der Bretagne ihren Segelschein, nachdem sie bereits einen Flugschein in der Tasche hat. Da das Fliegen zu teuer ist, bleibt sie auf dem Meer und verliert vor zwei Jahren, nach dem Tod ihres Vaters, schließlich ihr Herz an Lady Flow. Mit schlagkräftigen Argumenten überzeugt sie den ehemaligen Kapitän, ihr das Boot zu verkaufen. Ein erster Schritt auf dem Weg zu Pianocean.

Und so lernt sie nebenbei, Motoren zu reparieren, macht eine Ausbildung, um ihr Klavier auf See selbst stimmen zu können und organisiert daneben die Veranstaltungen ihrer Reise. Die ehrgeizige junge Künstlerin, die sich als Solistin den Namen ihres Bootes gegeben hat, ist auf der Lady Flow im wahrsten Sinne des Wortes zuhause. Neben dem Bett in der kleinen Schlafkabine am Bug des Schiffes befindet sich das Klavier.

Mittels einer extra für sie konstruierten Vorrichtung kann das Dach des Bugs aufgeklappt und das Klavier hochgefahren werden, was ihr erlaubt, an Deck ihre Konzerte zu geben. Man möchte meinen, diese Frau hat das Erfolgsrezept gepachtet und alles liefe glatt in ihrem Leben. Dabei war es vor allem der Tod des Vaters, der einen Wendepunkt in Mariekes Leben darstellte und sie schließlich zu Lady Flow führte. Sie steckt den Kopf nicht in den Sand und beißt sich durch – wahrscheinlich ist es dieser unstillbare Optimismus, der Marieke erfolgreich durch ihre Projekte führt und mit dem sie Anderen eine Quelle der Inspiration ist.

Vor einigen Tagen nun ist Marieke im Rahmen ihres Projektes Pianocean zum ersten Mal in See gestochen. In jedem Jahr möchte sie für sechs Monate auf See sein und dabei von Insel zu Insel fahren. Das Projekt plant sie dabei für einen Zeitraum von zehn Jahren. Während dieser Zeit möchte sie nicht nur Musik machen und Konzerte geben, sondern auch produzieren – all dies an Bord der Layd Flow.

Mit den Konzerten, die in verschiedenen Häfen stattfinden sollen, wird die Reise hauptsächlich finanziert. Marieke versteht sich dabei als Botschafterin und will das kulturelle Erbe entlegener Orte mit ihrer eigenen Musik vermischen. Sie wird es als Solistin tun, ist aber daneben auch mit ihrer Band Miss White and the drunken piano erfolgreich – einem Mix aus Piano, HipHop und Beatbox – und der sanften Stimme Mariekes.

Mit ihren gerade einmal 26 Jahren hat die junge Künstlerin bereits viel erreicht. Nun steht ihr Projekt Pianocean in den Startlöchern, für welches sie zunächst im Mittelmeer auf die Suche nach musikalischen Herausforderungen gehen wird. Es ist ein Kindheitstraum, den Marieke lebt. Und mit diesem wird sie, wenn alles gut geht, in den nächsten Jahren zur Ozeanpianistin und auf den Spuren Novecentos wandeln.

Fotos © Anne-Lis Le Pellec/ Text © Stefanie Eisenreich. Dieser Artikel wurde uns vom deutsch-französischen Blog Le Petit Piaf zur Verfügung gestellt.